Wichtigstes Werkzeug zum Bau einer Präzisionssonnenuhr ist die mathematische Beschreibung der physikalischen Abläufe. Wikipedia hilft hier unter den Stichworten Sonnenstand, Sonnenposition, Zeitgleichung und den darin verlinkten Seiten mit entsprechendem Formelwerk weiter. Die englischen Texte scheinen hier etwas ergiebiger als die deutschen. Man benötigt letztlich die Position der Sonne (Azimuth und Elevation) am eigenen Standort als Funktion der Zeit. Die Projektion eines festen Punktes (Nodus bzw. Apertur) auf eine Wandfläche (Zifferblatt) ist dann nur noch eine kleine Fingerübung in Geometrie.
Unerlässlich ist ferner eine entsprechende Software, denn für das Zifferblatt müssen relativ viele Punkte fehlerfrei berechnet werden. Es gibt zahlreiche freie und kommerzielle Programme für diesen Zweck im Internet. Mit geringen Programmierkenntnissen kann man die Formeln jedoch auch selbst in Software umsetzen. So habe ich es gemacht, hier ein Screenshot meiner eigenen Berechnungssoftware.
Damit die Sonnenuhr die Zeit minutengenau anzeigt, muss die Ausrichtung auf etwa 0.1 Grad genau erfolgen. Das bedeutet, dass die Wandrichtung mit dieser Genauigkeit bestimmt werden muss, da eine Wandsonnenuhr nach der Montage fast nicht mehr justiert werden kann (ich habe die Haltekonstruktion so entworfen, dass das Zifferblatt etwas gegenüber der Wand verkippt werden kann).
Eine Messung der Wandrichtung mit dem Kompass scheidet daher ebenso aus wie eine Ablesung aus Bauplänen oder Luftaufnahmen. Praktikabel ist hingegen eine Messung mit Hilfe des Schattenwurfes, also genau so, wie die Sonnenuhr selbst die Zeit misst. Ich habe dazu zunächst die Schattenrichtung eines Lotes bestimmt.
Aus den geographischen Koordinaten und der exakten Uhrzeit der Messung kann der Sonnenstand direkt in Azimuth und Elevation berechnet werden. Mit dem gemessenen Schattenwurf des Lotes ist dann die Bestimmung der exakten Nordrichtung denkbar einfach. Hat man erst einmal die exakte Nordrichtung am Boden vor der Wand aufgezeichnet, so kann man auch ganz einfach den Winkel zur Wand und damit die Wandrichtung messen. Zur Verringerung des Messfehlers wiederholt man diese Messung an mehreren Tagen zu unterschiedlichen Uhrzeiten.
Das gilt genau genommen nur für die Bestimmung der Azimuthrichtung der Wand. Der Elevationswinkel kann sehr einfach mit Hilfe eines Lotes bestimmt werden, sofern man nicht einfach darauf vertrauen möchte, dass die Wand senkrecht gemauert wurde.
Neben der exakt bestimmten Wandrichtung benütigt man noch die geographischen Koordinaten des Aufstellortes. Diese lassen sich mit einem GPS-Gerät bestimmen oder im Internet ermitteln. Mit Hilfe der Software kann dann das Zifferblatt berechnet werden. Die Position des Nodus auf dem Zifferblatt und seine Länge definieren die Größe der Skala und ihre Position. So bestimmt man einen geeigneten Ausschnitt der Zeitskala. Bei der Gestaltung des Mottos, der Tierkreiszeichen, der Beschriftung und weiterer Ornamente sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt.
Das Bild zeigt den gesamten Entwurf in Originalgröße ausgedruckt auf dem Boden ausgelegt.
Den Entwurf überträgt man anschließend auf das zu fertigende Zifferblatt. Ich habe mich hier für Aluminium entschieden und die Gestaltungselemente vor dem Farbauftrag eingraviert. Damit bleibt die Position auch dann erhalten, falls später im Zuge einer Renovierung die Farbe abgeschliffen und neu aufgetragen werden muss.
Das Bild zeigt das Zifferblatt während der Gravur, die exakte Position der Linien wird vom Ausdruck mit Durchschlagpapier auf die Platte übertragen.